
Im Allgemeinen ist Angst ein emotionaler Zustand, der durch das Gefühl einer tatsächlichen oder erwarteten Bedrohung entsteht. Angst und ihre meist körperlichen Reaktionen sind eine evolutionäre Schutzfunktion, die den Körper auf Flucht oder Kampf vorbereitet.
Angst ist für den Menschen hilfreich – solange sie durch reale Bedrohungen ausgelöst wird. Überquert man zum Beispiel bei grüner Ampel die Straße und ein Auto nähert sich trotzdem, ist es sinnvoll, einen Schritt schneller zu gehen und sich in Sicherheit zu bringen. Ebenso ist es klug, ein Kind von einer stark befahrenen Straße fernzuhalten oder beim Arbeiten mit elektrischem Strom besonders vorsichtig zu sein. In all diesen Fällen liegt eine tatsächliche Gefahr vor.
Wird hingegen eine eher ungefährliche Situation – wie eine Fahrt mit dem Aufzug, der Aufenthalt in einer Menschenmenge, die Spinne an der Wand oder die Begegnung mit einer Maus – grundsätzlich als Bedrohung empfunden, liegt vermutlich eine Angststörung vor. Im Unterschied zur normalen, situationsgerechten Angst treten bei einer Angststörung übermäßige oder anhaltende Ängste auf, die schwer kontrollierbar sind.
Ich selbst hatte mehrere Angststörungen und habe vieles ausprobiert, um sie loszuwerden. Gegen meine Angst in geschlossenen Räumen – etwa in Flugzeugen – bekam ich von meinem damaligen Arzt Tabletten. Als ich später zu einer Ärztin wechselte und erneut nach den Medikamenten fragte, erklärte sie mir, dass man solche Angststörungen durchaus überwinden könne – allerdings sei das sehr, sehr schwer. Sie würde mir die Tabletten weiter verschreiben, wenn ich sie brauche, um fliegen zu können. Die Tabletten halfen mir immer gut – aber offenbar gab es eine Möglichkeit, es auch ohne zu schaffen. Da der Tag für mich nach der Einnahme wegen starker Müdigkeit oft gelaufen war, fühlte es sich für mich nur wie eine halbe Lösung an.
Bei meiner Angststörung im Straßenverkehr – die so stark war, dass ich selbst auf kurzen Landstraßen Schwindel und schwitzige Hände bekam – durfte ich die Tabletten aufgrund der eingeschränkten Fahrtüchtigkeit nicht einnehmen. Hier musste ich so oder so eine andere Lösung finden.
Nach vielen Jahren der Angst im Straßenverkehr nahm ich Kontakt zu einer Verkehrspsychologin auf – einer Fahrschullehrerin mit abgeschlossenem Psychologie Studium. Ich begann eine Konfrontationstherapie und erzielte mäßige Erfolge. Es war ein großer Unterschied, ob jemand neben mir saß und im Notfall eingreifen konnte – oder ob ich alleine fuhr. Ich trainierte, wie es mir empfohlen wurde: Jede Woche mindestens drei Stunden fuhr ich Strecken, die mir Angst machten. Es war eine echte Qual, denn die Angst verschwand ja erstmal nicht – ich musste sie aushalten.
Diese Methode half mir zwar teilweise, aber ich empfand sie als extrem anstrengend. Man muss die Angst immer wieder aushalten, bis im Kopf langsam der Schalter umgelegt wird: Das war gar nicht gefährlich – ich habe es ja geschafft. Ich habe jedoch nie ganz verstanden, warum meine Angst vorher trotzdem bestehen blieb oder sogar schlimmer wurde, obwohl ich doch regelmäßig fuhr. Vielleicht hilft diese Methode manchen Menschen – aber ich verrate euch lieber mein Erfolgsrezept. Damit ist es zwar ebenfalls herausfordernd, aber deutlich sanfter. 😉
Was mir persönlich viel mehr geholfen hat, war der Aufbau von Selbstvertrauen durch mentales Training. Ich lernte, dass ich kein Störfaktor im Straßenverkehr bin – so wie ich mich früher gefühlt habe. Ich lernte, dass es in Ordnung ist, auf mich selbst zu achten, wenn es mir nicht gut geht. Im übertragenen Sinn hieß das: Ich durfte mir erlauben, bei Unwohlsein die Warnblinkanlage einzuschalten und anzuhalten. Tatsächlich habe ich diese Möglichkeit später nie genutzt – aber es zu dürfen, hat schon gereicht. Außerdem erlaubte ich mir, die vorgeschriebene Geschwindigkeit zu fahren, statt mindestens 120 km/h – so, wie es mein Umfeld auf der Landstraße für normal hielt. Heute neige ich dazu, schneller zu fahren, wenn ich mich sicher fühle.
Das mentale Training half mir nicht nur im Straßenverkehr, sondern auch dabei, andere Angststörungen gleichzeitig zu „therapieren“. Ich musste mich nicht mehr regelmäßig Aufzügen oder überfüllten Verkehrsmitteln aussetzen. Irgendwann waren die Angststörungen einfach weg – alle auf einmal.
Etwas gezögert habe ich noch bei meiner ersten Alleinfahrt auf der Autobahn. Schließlich kann es gefährlich werden, wenn man dort die Kontrolle verliert. Aber nach meinem letzten Solo-Urlaub mit Bergwanderungen, bei denen ich keine Begleitung hatte und einem insgesamt völlig entspannten Aufenthalt war ich mir sicher: Die Angst ist weg. Ich fuhr los – und siehe da: Ich war ganz entspannt auf der Autobahn unterwegs und konnte meine süße Nichte in Köln besuchen. Seitdem fühle ich mich unglaublich befreit und wünsche dieses Gefühl jedem Menschen.
Ich bin überzeugt: Der Aufbau von Selbstvertrauen und Selbstliebe bereichert das Leben in jeder Hinsicht. Bestätigt wurde ich zuletzt durch das Buch Panikattacken und andere Angststörungen loswerden von Klaus Bernhardt. Einen Eintrag dazu findet ihr auch in meiner Bibliothek.
Viel Freude beim Stöbern – und in Zukunft mit eurer neu gewonnenen Freiheit!
Mit Liebe und Dankbarkeit
Eure Corinna

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