
Hallo ihr Lieben,
am liebsten würde ich auf meinem Blog auf Fach- und Fremdbegriffe verzichten, da ich mich so einfach wie möglich ausdrücken möchte. Aber die Neurodivergenz möchte ich beim Namen nennen – und euch auch erklären.
Wenn man über etwas nachdenkt und eine Entscheidung fällt, dann macht man das oft nach bestem Wissen und Gewissen. Man entscheidet so, wie man es persönlich für richtig hält. Dabei unterscheiden sich die Wege der Entscheidung von Mensch zu Mensch. Jeder hat etwas anderes erlebt, somit unterschiedliche Einflüsse und ein individuelles Umfeld. Zusätzlich kann das Gehirn ganz unterschiedlich funktionieren. Bei etwa 50 % der Menschen funktioniert es sehr ähnlich. Die Wahrnehmung von äußeren Einflüssen wie Licht, Gerüchen, Geräuschen oder Berührungen ist vergleichbar – und wird als Norm angesehen. Ich habe bereits in einem anderen Beitrag erwähnt, dass für mich 50 % zu wenig sind, um es als Norm zu definieren. Aber nehmen wir es, wie es ist: Bei den anderen 50 % funktioniert das Gehirn eben anders.
Meiner Mentaltrainerin fiel damals auf, dass ich hochsensibel bin. Ich hörte in meinem Umfeld häufiger die Sätze: „Du bist zu empfindlich“, „Stell dich nicht so an“ oder „Du musst immer übertreiben“. Mal davon abgesehen, dass mich diese Aussagen verletzt haben, habe ich nie wirklich verstanden, was ich falsch gemacht haben soll. Als ich mich dann mit Literatur zu Hochsensibilität beschäftigte, wurde mir bewusst, dass ich vergleichsweise schneller überreizt oder erschöpft war als andere Menschen. Die Erklärung fand ich darin, dass die Reize in meinem Gehirn intensiver verarbeitet werden als im Durchschnitt. Dass ich helles Licht kaum vertrage und es innerhalb von Sekunden zu Kopfschmerzen führt, war mir natürlich schon aufgefallen. Aber nach und nach wurde mir klar, dass die meisten Menschen das nicht so erleben.
Dass mein Gehirn viele Reize gleichzeitig und intensiv verarbeitet, kommt mir bei der Aufnahme von Informationen oft zugute. Ich habe eine schnelle Auffassungsgabe und bin sehr lernfähig. Dafür brauche ich allerdings meine Ruhe. Wenn das Licht ungünstig fällt, sich neben mir etwas bewegt oder unangenehme Geräusche auftreten, ist mein Gehirn schnell überfordert – und ich dementsprechend gaaaanz schnell erschöpft. Ein Hilferuf meines Gehirns.
Für mich persönlich ist die Hochsensibilität heute zum Glück meist keine Belastung mehr. Manchmal ärgert es mich, wenn mir unterstellt wird, ich würde dies absichtlich tun. Aber hey – ich wusste ganz lange selbst nicht, was der Grund für mein „Problem“ ist. Wie soll mein Umfeld dann von heute auf morgen Verständnis dafür haben?
Ich habe unnötige Reize aus meinem Leben verbannt. So schaue ich zum Beispiel kein Fernsehen mehr, schlage mir keine Nächte um die Ohren, trinke kaum noch Alkohol, besuche Konzerte oder ähnliche Veranstaltungen nur dann, wenn nicht zu viele andere Eindrücke auf mich einprasseln, und treffe mich lieber zu tiefgründigen Gesprächen statt für Smalltalk. Dafür genieße ich noch mehr Zeit in der Natur, bei einer Massage, in der Sauna, meditiere und praktiziere Yoga – oder, wie es in meinem Umfeld gerne heißt: „Ich bin eine Oma geworden“ 😉 Ich bin voll gerne Oma, weil es mir sehr gut damit geht.
Es gibt bei Hochsensiblen übrigens ein spannendes Phänomen: Orte, die in der Theorie für sie die Hölle sein müssten, können dennoch ein besonderes Wohlbefinden auslösen. Ich habe auch mal die wissenschaftliche Erklärung dafür gelesen, aber seit meiner Masterthesis habe ich eine gewisse Abneigung gegen wissenschaftliche Quellen 😀 Ein sehr guter Freund von mir, ebenfalls hochsensibel, empfindet dieses Wohlgefühl mitten in New York – und bei mir ist es nun mal das Fußballstadion 🙂
Komplexe Sache, diese Hochsensibilität. Daher erwarte ich auch nicht, dass es jeder versteht. Wenn ich mir etwas wünschen darf, dann ist es gegenseitiger Respekt. Wenn jemand äußert, dass eine Situation unangenehm ist, dann ist das ein Vertrauensbeweis und sollte ernst genommen werden. Man muss nicht jedes Verhalten verstehen – und jeder von uns kann sein Gehirn nur so nutzen, wie es ihm selbst zur Verfügung steht.
Neben der Hochsensibilität gehören auch folgende Formen zur Gruppe der Neurodivergenzen:
- Tourette-Syndrom
- Autismus-Spektrum
- ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung)
- Legasthenie (Lese-Rechtschreib-Schwäche)
- Dyskalkulie (Rechenschwäche)
- Dyspraxie (Koordinationsstörungen)
Liebe geht raus an alle Neurodivergenten – und auch an alle „Normalen“ 😉 Bleibt euch selbst treu!
Eure Corinna

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